Die Ibiza Hintergründe

Das Ibiza-Video deckte Korruption in Österreichs Regierung auf. Schwarz-Blau war am Ende. Doch statt diese Korruption aufzuklären, stellte die SOKO TAPE den mutmaßlichen Videomachern nach. Denjenigen, die durch die Enthüllung versucht hatten, Rechtsstaatlichkeit wieder herzustellen.

Wir beschreiben wie es dazu kam.

Wie FPÖ Funktionäre versuchten, das Ibiza-Video für zwei Millionen zu kaufen. Warum das Öffentlichwerden des FPÖ-Spesenskandals nur den mutmaßlichen Videomachern zu verdanken ist. Wie der Staatsapparat von mutmaßlich Beteiligten vorgewarnt wurde. Wie Zeugen gekauft und Vorwürfe konstruiert wurden, um die mutmaßlichen Enthüller zu diskreditieren. Über die Untätigkeit der SOKO TAPE, Korruption aufzuklären und mit welchen Tricks die selbige europaweit Grundrechtseingriffe vornahm. Für wen das Geld war, das gefordert wurde und welche Fragen noch zu klären sind.

Während Journalisten, denen das Video zur Veröffentlichung überlassen wurde, höchste Auszeichnungen gewinnen, werden die eigentlichen Enthüller mit allen Mitteln gejagt und delegitimiert. Statt einer sauberen Aufklärung der offengelegten Vorwürfe, folgte ein Justizskandal auf europäischer Ebene.

Ein Jahr nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos zeigt sich nicht nur, wie tief rechte Seilschaften in der Österreichischen Medienlandschaft, den Österreichischen Ermittlungsbehörden und der Justiz verankert sind, sondern auch, wie österreichische Behörden, europäisches Recht missbrauchen konnten, um die mutmaßlichen Hinterleute des Ibiza Videos zu diffamieren, einzuschüchtern und die Grundrechte zahlloser Unbeteiligter auszuhebeln.

Dieser Bericht erzählt die Geschichte der Enstehung des Videos zum ersten Mal von Beginn an und nimmt dabei die Sichtweise der Ibiza Macher ein, denn Enthüller müssen geschützt und die im Raum stehenden Korruptionsvorwürfe restlos aufgeklärt werden.

Von der Quelle zur Idee

  • Ein Bodyguard sammelt belastendes Material gegen seinen Arbeitgeber HC Strache.

  • Er bietet sich über einen Anwalt der Polizei als Kronzeuge an, die verweigert Zeugenschutz und geht den Hinweisen nicht nach.

  • Die mutmaßlichen Macher des Ibiza-Videos erfahren davon. Sie wollen die FPÖ Funktionäre selbst der Korruption überführen.

Ende 2014 wird einer der mutmaßlichen Macher des Ibiza-Videos von einem Bodyguard angesprochen, der belastendes Material gegen den damaligen FPÖ Vorsitzenden Heinz-Christian Strache gesammelt haben will. Der Bodyguard, selbst überzeugtes FPÖ Mitglied, zudem Polizist und zu diesem Zeitpunkt vom Dienst freigestellt für die Tätigkeit als Leibwächter Straches, hatte zunächst Beweise gesammelt, um sich abzusichern, da er selbst an zweifelhaften Handlungen beteiligt war und die Tätigkeiten und Charaktereigenschaften von HC seinem rechtskonservativen Weltbild widersprachen.. Nun agiert er jedoch aufgrund persönlicher Verletztheit: Strache habe ihn in Zeiten schwerer Krankheit nicht in den Krankenstand geschickt, sondern aus seiner Tätigkeit als Leibwächter entlassen. Der Bodyguard verlor dadurch Renten- und Sozialbeitragsansprüche, aber auch das Vertrauen in seinen Arbeitgeber. Genesen und erneut als Leibwächter von Strache angeheuert, sammelte er von nun an weiter so viel kompromittierendes Material gegen H.C. Strache, wie er finden konnte:

SMS von HC Strache an seinen Bodyguard. Bis heute ist das Ausmaß der mutmaßlichen Korruption des HC Strache nicht aufgeklärt.

Fotos von Quittungen, die einen Spesenskandal belegen, der die FPÖ später bei den Nationalratswahlen 2019 abstürzen lassen soll, Sporttaschen mit Bündeln von Bargeld in Straches Kofferraum, deren Herkunft bis heute ungeklärt ist und zahlreiche weitere Beweisstücke, welche die Österreichische Justiz später bei einer Hausdurchsuchung finden wird, und bis heute unter Verschluss hält. Dabei soll es um Veruntreuung von Parteigeldern, Nachweise für regelmäßigen Drogenkosum und Bargeldannahmen hoher Summen gehen.

Der Wiener Anwalt Dr. M. vertritt den Bodyguard, der schon länger zu seinen Mandanten zählt. Er will ein Zeichen setzen gegen Korruption und für einen funktionierenden Rechtsstaat. Doch der Rechtsstaat funktioniert nicht:

Im Namen seines Mandanten wendet sich der Anwalt mit dem belastenden Material am 27.03.2015 an die Behörden. Zuständig beim BK ist der Ermittler Andreas H. Die Angaben des Anwalts sind konkret: Es geht um mutmaßliche Geldwäsche, Geldzahlungen über 500.000 Euro, den mutmaßlichen Auffindeort des Geldes, Untreue zu Lasten der FPÖ durch Bestreiten der privaten Lebensführung Straches aus Mitteln der Partei, Scheinanstellung etc. Die Bedingung des Anwalts: Der Bodyguard (den Namen und Funktion nennt der Anwalt aus Schutzgründen nicht) - solle im Fall einer Aussage in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden und die Vorwürfe medial veröffentlicht werden. Der Polizeibeamte erklärt, die Angaben seien zu vage, verspottet den Anwalt, verweigert den Zeugenschutz und nimmt keine Ermittlungen auf. Anwalt Dr. M. bricht daraufhin den Kontakt zu den Behörden ab. Erst drei Monate später erstellt das BK einen knappen Aktenvermerk zu dem Vorgang. Folgen hat er nicht.

Obwohl der Polizei ab März 2015 die detaillierten Vorwürfe der Geldwäsche und Untreuehandlungen Straches bekannt sind, nehmen die Behörden keine Ermittlungen auf. Dies wäre auch ohne die Beweissammlung des Bodyguards möglich gewesen - der Lagerort des Geldes wurde dem BK mitgeteilt (im Parlamentsbüro der FPÖ), ganz abgesehen davon, dass der Bodyguard im Falle eines Zeugenschutzversprechens nach Angaben des Anwalts Dr. M. aussagebereit gewesen wäre. Stattdessen unternimmt die Polizei außer einem Aktenvermerk nichts. Ausgerechnet jener BK-Mann, Andreas H., der schon damals unwillig war, Korruption in der FPÖ aufzuklären, leitet seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos die Ermittlungen gegen deren mutmaßliche Hersteller, die SOKO TAPE.

Anders der Anwalt: Da er vom Mandantengeheimnis nicht entbunden war, hatte er aufgrund des Unwillens der BK-Ermittler zunächst keine Möglichkeit, den Ermittlern das Beweismaterial zur Verwahrung zu überlassen. Die Motivation einer "Orbanisierung Österreichs" entgegenzuwirken, trieb die späteren Ibiza Macher dazu an, auch einen anderen Vorschlag des Bodyguards in Betracht zu ziehen, um ihn an Stelle eines Zeugenschutzprogrammes abzusichern.

Aus der Zeit nach dem Treffen mit dem Polizeibeamten Andreas H. sind Kontakte zu möglichen Geldgebern überliefert, die dabei helfen sollten, den Bodyguard im Falle eines Whistleblowings für die Zukunft abzusichern. Diese Versuche lagen zeitlich aber vor der Erstellung des Ibiza-Videos. Sie blieben ohne Erfolg.

Im Jahr 2016 keimte daher die Idee, nun selbst die Korruptionsbereitschaft des Spitzenpersonals der FPÖ bei der Annahme von weiteren unmoralischen Angeboten durch ein heimlich aufgenommenes Video zu dokumentieren. Im weiteren Verlauf entwickelte die Idee jedoch eine Eigendynamik, die später in einem großen Knall und der Auflösung der Österreichischen Regierung enden sollte.

Das Video

  • Als das Ausmaß der Korruptionsbereitschaft der FPÖ Funktionäre offenbar wird, entsteht die Idee zur Videofalle auf Ibiza.

  • Die Anfertigung des Videos in Spanien war legal.

  • Die Vorbereitung und Durchführung des Videos wurden ohne externe Geldgeber realisiert.

  • Mehr als eine "B'soffene G'schicht": Es gab weitere Treffen mit der vermeintlichen Oligarchen-Nichte, bei denen die FPÖ Funktionäre an dem fingierten Deal arbeiteten.

Der Abend, der Geschichte schreiben würde.

Am Anfang stand die Idee, die FPÖ-Mitglieder Strache und Gudenus sowie deren Umfeld durch neue Beweise zu den bestehenden Anschuldigungen zu überführen. Ein erstes Treffen mit Johann Gudenus, damals geschäftsführender Clubobmann der FPÖ, in einem Wiener Grand Hotel, sollte den Politiker und sein Umfeld auf die Bereitschaft krumme Deals einzugehen, abklopfen und bei weiteren persönlichen Verfehlungen ertappen. Doch das erste Treffen, bei dem es hauptsächlich um fragwürdige Immobiliengeschäfte gehen sollte, und weitere Anbahnungen ließen ein viel größeres Ausmaß an Korruptionsbereitschaft erahnen, als anfangs vermutet.

Die hohe Bereitwilligkeit der FPÖ Politiker, auf Korruptionsangebote einzugehen, motivierte zu einer grösseren Aktion, als sie ursprünglich geplant war. Was schließlich zwei Jahre später als Ibiza-Affäre in die Geschichte eingehen würde, ist hinlänglich bekannt. Die Insel-Villa wurde gewählt, da die Aufzeichnung von Videomaterial in Spanien durch am Gespräch beteiligte Personen auch ohne Wissen der anderen Gesprächspartner legal ist. Ein Schild am Eingang der Villa weist sogar darauf hin, dass diese videoüberwacht wird.

Rechts am Tor wurden Strache und Gudenus sogar noch darauf hingewiesen, dass das Gelände videoüberwacht ist. Auch ohne Kameras sollte man von Spitzenpolitikern jedoch erwarten können, sich nicht korrupt zu verhalten.

Auch nach dem Treffen auf Ibiza bemühten sich die FPÖ Politiker weiter, die vermeintliche Oligarchenerbin, die als Lockvogel eingesetzt wurde, für ihre Interessen zu gewinnen. Die Offenheit Gudenus' ging soweit, dass zur Bestätigung des Interesses der FPÖ an korrupten Deals eine vorgefertigte Pressemitteilung als Zeichen des „Guten Willens" im Namen der FPÖ veröffentlicht wurde, in der vorab vereinbarte Schlagworte fielen und insbesondere gefordert wurde, dass "der politisch höchst aktive Milliardär Hans Peter Haselsteiner seine offenbar scheckheftgepflegten Polit-Netzwerke offenlegen" sollte.

Auch nach dem Treffen auf Ibiza gab es weitere Anbahnungsversuche mit der vermeintlichen Oligarchin. Die FPÖ gab als Zeichen des "Guten Willens" diese Pressemitteilung heraus.

Das Treffen auf Ibiza war keine "b'soffene Gschicht". Der veröffentlichte Videoausschnitt zeigt kondensiert, wie offen Österreichs Regierungsmitglieder für krumme Deals waren. Auf die Vorschläge weiterer Treffen mit Strache und Gudenus in Moskau oder London wurde seitens der vermeintlichen Oligarchin nicht mehr eingegangen. Gerechnet hatten die Macher des Videos mit einem solchen Ausmaß an Korrumpierbarkeit ursprünglich nicht.

Sowohl die Anbahnungsversuche als auch die Infrastruktur rund um das Ibiza-Video, wie Mietkosten der Villa, hochpreisige Mietwägen, Flüge und technisches Equipment wurden nicht von externen Geldgebern finanziert. Die Kosten dafür waren hoch, jedoch geringer als in vielen Medien behauptet. Die Macher gingen dabei wissentlich das hohe persönliche Risiko einer anschließenden Verfolgung durch staatliche Behörden, aber auch durch Anhänger rechtsradikaler Ideologien und Strache selbst sowie der FPÖ ein. Sie hofften, dass der Druck durch Veröffentlichung des Ibiza-Videos zusammen mit den schon gesammelten Beweisstücken des Bodyguards so hoch sein würde, dass die Ermittlungbehörden gründliche Nachforschungen im Milieu der FPÖ anstellen müssten, konnten sich dessen aber nicht sicher sein. Sie hofften, dass die schon im Jahr 2015 bekannten und weiterhin laufenden Vorgänge der Geldmittelannahme unbekannter Herkunft und Verwendung im Zuge der Videoveröffentlichung aufgeklärt werden. Sie wussten aber auch, dass sie ein Leben in ihren bürgerlichen Berufen nicht würden fortsetzen können. Tatsächlich gerieten die Enthüller nach der Veröffentlichung des Videos selbst in den Fokus der Ermittler.

Die Veröffentlichung & die Folgen

  • Das Ibiza-Video soll zusammen mit den belastenden Beweisen veröffentlicht werden, die Straches Bodyguard zuvor gesammelt hatte.

  • Die Behörden lehnen Zeugenschutz für den Leibwächter ab. Deshalb versuchen die Macher des Videos, dieses im "Paket" zusammen mit den Beweisen des Leibwächters anzubieten und fordern hierfür auch die finanzielle Absicherung des Bodyguards.

  • Nachdem die Finanzierungsversuche des Bodyguards scheitern, wenden sich die Macher an die Medien, um das Video alleinstehend zu veröffentlichen.

  • Für das Video allein wurde nie Geld gefordert oder bezahlt.

  • Um Chaos zu vermeiden wurden relevante Stellen im Staatsapparat vorgewarnt.

Aufgrund der Vorerfahrungen mit den Österreichischen Ermittlungsbehörden zweifelten die Macher des Videos daran, dass das Bildmaterial aus dem Ibiza-Video allein Anlass genug wäre, die Ermittler zum Handeln zu bewegen. Mit einem Fall der Regierung rechneten sie nicht. Die Enthüller planten, das Video gemeinsam mit den zuvor gesammelten Beweisen und der Aussage des Bodyguards, im "Paket" zu an geeignete Seiten zu übergeben. So hofften sie, kämen die Behörden nicht mehr um strafrechtliche Ermittlungen herum.

Die Behörden hatten es abgelehnt, Straches Leibwächter in ein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen und entsprechend abzusichern. Da klar war, dass der Bodyguard, der sich möglicherweise mit der Veröffentlichung des Materials zum Teil selbst belastet hätte, seine Existenz aufs Spiel setzte, forderte er eine finanzielle Absicherung.

Daher wurde weiter bei verschiedenen potentiell an einer Veröffentlichung des Videos Interessierten versucht, Geld für die Absicherung der Beteiligten (Anwaltskosten, Lebenshaltungskosten im Falle von Jobverlust etc.) zu gewinnen.

Dem Anwalt des Beschuldigten, dem vorgeworfen wird, das Ibiza-Video mit angefertigt zu haben, Johannes Eisenberg, liegt eine Eidesstaatliche Erklärung vor, in der eine dieser angesprochenen Personen des öffentlichen Lebens bestätigt, dass bereits 2015 Geld zur Absicherung des Bodyguards auf dessen Wunsch und in dessen Beisein gesucht wurde.

Es war davon auszugehen, dass mit den Ibiza Machern ähnlich umgegangen werden würde, wie mit anderen Whitstleblowern in der Vergangenheit. Das unverhältnismäßige Vorgehen der Österreichischen Ermittlungsbehörden sollte dieser Annahme später Recht geben.

Geld, das für die Aussagebereitschaft des Bodyguards und seine gesammelten Beweise gefordert wurde, war immer für die Absicherung des Leibwächters gedacht. Weder für die Herstellung, noch für die Veröffentlichung des Videos selbst wurde jemals Geld bezahlt. Die Produktionskosten des Videos waren bereits durch die Ausgaben der Macher gedeckt. Hätten sich die Enhüller persönlich bereichern wollen, hätten sie an späterer Stelle auf eines der Kaufangebote für das Material durch FPÖ Sympathisanten und HC Strache selbst eingehen oder sich an den Urheberrechten bereichern können. (ON529 Seite 5). An erster Stelle stand für die Macher des Videos immer die Motivation zu dessen Veröffentlichung in Kombination mit dem gesammelten Material des Bodyguards. Es gab werder einen Auftraggeber noch einen externen Finanzier.

Da die Versuche, den Bodyguard abzusichern, nicht erfolgreich waren, dieser jedoch ohne Absicherung nicht aussagebereit war, wurde die Veröffentlichung des Materials zunächst verschoben. Zu hoch das Risiko, dass das Video ohne die zusätzlichen Beweise und die Aussage des Bodyguards nicht ausreichend Schlagkraft entwickeln und als "b'soffene Gschicht" abgetan würde.

Im weiteren Verlauf konnten die Videomacher den Leibwächter dazu bewegen, seine Wünsche zu reduzieren. Erst als zahlreiche weitere Versuche scheiterten, die nötigen Mittel für dessen Absicherung aufzutreiben und somit zu einer Aussage und der Veröffentlichung des Materials zu bewegen, entschlossen sich die Video Produzenten trotz enormen persönlichen Risikos zur Veröffentlichung - ohne das zusätzliche Beweismaterial des Bodyguards. Aufgrund des damals FPÖ-beherrschten Österreichischen Sicherheitsapparats und Innenministers Kickl gingen sie zu diesem Zeitpunkt von erheblichen, wenn nicht sogar lebensbedrohlichen Gegenmaßnahmen aus.

Die Ibiza-Affäre ist eine der heftigsten politischen Krisen seit Bestehen der Bundesrepublik Österreich.

Wenige Tage vor der Veröffentlichung am 17.05. wurden von mutmaßlich Beteiligten, relevante Stellen im Staatsapparat grob über die Inhalte und Veröffentlichung informiert, um dem Eindruck einer Einflussnahme oder gar eines Umsturzes aus dem Ausland vorzubeugen. Entscheidungsträger sollten in die Lage versetzt werden, vernünftige Entscheidungen im Umgang mit der im Video offenbarten Korruption von Strache und Gudenus zu treffen.

Aufgrund der im Video transportierten Inhalte und der offensichtlichen Bereitschaft zu massiven Korruptionshandlungen bis hin zum Landesverrat und Ausverkauf der Grundinfrastruktur an angebliche dubiose ausländische Geschäftsleute, wurde die Koalition der ÖVP mit der FPÖ binnen 24 Stunden zu Fall gebracht.

Die mediale Verleumdungs­kampagne

  • Rechte Medien starten eine Hetzkampagne gegen die Macher des Videos.

  • Die Behauptungen wurden mittlerweile größtenteils widerlegt oder erscheinen wenig glaubwürdig. Dennoch werden sie weiterhin aufgegriffen.

Während in Wien noch das Ende der rechts-konservativen Koalition gefeiert wurde, formierte sich unmittelbar nach dem ersten Schock durch die Veröffentlichung und den Rücktritt der Regierung eine massive mediale Verleumdungskampagne. Diese zielte jedoch nicht auf die korruptionsbereiten FPÖ-Politiker, sondern auf die mutmaßlichen Macher des Videos ab.

Die Kampagne wird angeführt von dem rechts-konservativen Blog EU-Infothek, dessen Herausgeber Gert Schmidt auch als Detektiv für Gudenus tätig war und eine Geschäftsbeziehung zum von Strache im Ibiza Video erwähnten Casino-Großaktionär Novomatic aufweist. Die in der EU-Infothek erhobenen Behauptungen entbehren der journalistischen Sorgfalt und faktischen Grundlage. Trotzdem wurden die Teils abstrusen Vorwürfe in Ermangelung anderer Quellen zu diesem brisanten Fall nicht nur von FPÖ nahen Medien weit gestreut.

Erst kürzlich erschien in der Welt am Sonntag wieder ein Text, in dem breite Teile dieser Verleumdungen aufgegriffen und abgeschrieben wurden. Einem hiergegen eingebrachten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beim Berliner Landgericht wurde umgehend stattgegeben.

So fußt beispielsweise die Zuschreibung, es gäbe eine "Ganovenmentalität" bei den Machern des Videos, auf wenig belastbaren Zeugenaussagen. Jene Zeugin, die einen der mutmaßlichen Enthüller beim Handeln mit Rauschgift und dem Drohen mit einer Waffe gesehen haben will, ist nach Aktenlage schon in einem früheren Verfahren durch Falschaussagen und Verleumdung aufgefallen. Aus der Aktenlage ergibt sich, dass ihre Aussagen widersprüchlich sind, sowohl in Bezug auf die zeitliche und geographische Einordnung der Vorfälle, als auch der dabei angeblich beteiligten Personen.

Gekaufte Zeugen

  • Zeugen, die zulasten der Videomacher aussagten, waren gekauft oder unglaubwürdig.

Rechte Seilschaften ziehen sich tief durch die Österreichische Medienlandschaft, Justiz und Ermittlungsbehörden.

Neben einer Zeugin, deren Aussagen nicht belastbar sind, traten diverse Trittbrettfahrer und Polizeispitzel aus dem weiten Umfeld der am Video Beteiligten auf den Plan, die sich als angebliche Insiderquellen für diverse Medien ausgaben. Dass die dabei entstandenen Falschaussagen und Beschuldigungen von rechten Blogs durch hohe Geldsummen erkauft wurden, gestand beispielsweise der Blog EU-INFOTHEK selbst ein. Man habe nachweislich ca. 100.000 Euro für, wie sich im Nachhinein herausstellte, größtenteils erfundene oder manipulierte Beweise ausgezahlt und versucht, diese Bestechung durch Scheinleistungen zu verdecken. Die teils abstrusen Vorwürfe wurden auch in Form einer Strafanzeige durch einen Anwalt von Gudenus' in das laufende Verfahren eingebracht (ON331). Sie wurden im Zuge der medialen Verleumdungskampagne dennoch immer wieder zitiert und führten zu unverhältnismäßigen Eingriffe in die Grundrechte der mutmaßlich Beteiligten und ihrem Umfeld.

Haltlose Vorwürfe

  • Am Video hat sich niemand bereichert. Mehrfache Kaufangebote, auch seitens Strache naher Kreise über zwei Millionen Euro wurden ausgeschlagen.

  • Das gesamte Video ging unentgeldlich an die Redaktionen. Nachträgliche Erpressungsvorwürfe sind damit unglaubwürdig.

Auch der Vorwurf, die Macher hätten sich mit dem Video bereichern oder hohe Summen bei Strache abpressen wollen, ist haltlos. Strache gab am 20.11.2019 gegenüber dem Kurier selbst an, zu keinem Zeitpunkt erpresst worden zu sein.

Das Gegenteil war der Fall: über Mittelsmänner, u.a. bei der Österreichischen Polizei, unternahm Strache selbst intensive Versuche an die Macher heranzutreten und bot diesen bis zu zwei Millionen Euro für eine Herausgabe des Materials. Die Macher des Videos lehnten ab. Es ging ihnen nie um Geld, sondern um eine Veröffentlichung, die strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen sollte.

Der Vorwurf des Handels mit Teilen des Videos sowie der Erpressung ist auch deshalb haltlos, weil das gesamte Material zum Zeitpunkt der angeblichen Erpressung am 06.06.2019 bereits den Redaktionen von SPIEGEL und SZ vorlag. Beteiligte Journalisten bestätigten in zahlreichen Interviews, dass dies auch schon vor den Veröffentlichungen am 17.05.19. der Fall war. Man hätte demnach Strache und Gudenus ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit der Veröffentlichung des restlichen Materials drohen können, da es sich längst bei den Redaktionen und damit ausserhalb der Einflussmöglichkeiten der Video Macher befand.

Das OGH in Wien bestätigte diese Einschätzung. Man hatte den involvierten Medien das Video zur Veröffentlichung überlassen, nachdem klar wurde, dass für den Kronzeugen und ehemaligen Bodyguard Straches keine Grundsicherung verhandelbar war. Für das Video floss seitens der Redaktionen und auch an anderer Stelle kein Geld.

Aufgrund der hier geschilderten Aktenlage darf auch die Welt am Sonntag laut Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12.5.2020 nun nicht mehr behaupten, ein mutmaßlicher Beteiligter am Ibiza-Video hätte von Strache 400.000 Euro erpressen wollen. Ebenso mussten Passagen zu angeblichem Suchtgifthandel gestrichen werden.

Jagd auf die Video-Produzenten

  • Schon vor Veröffentlichung des Videos begannen sich FPÖ treue Kreise innerhalb des Sicherheitsapparats unter Führung der FPÖ Spitze, mutmaßlich inklusive des damaligen Innenministers Herbert Kickl, auf die Jagd nach den Beteiligten zu begeben.

  • Ein Jahr später gründet Strache eine neue Partei, während sich die Enthüller unter anderem aus Angst vor rechtsterroristischen Racheaktionen und einem ungerechten Verfahren verstecken müssen.

Während die an der Video Veröffentlichung beteiligten Journalisten anschliessend mit Preisen und Awards überschüttet wurden, mussten die Enthüller selbst im Lauf der Ereignisse untertauchen.

Schon vor der Veröffentlichung des Videos, wurde dessen Existenz durch eine Äußerung des Fernsehmoderators Jan Böhmermann, der im Vorfeld Wind von der Sache bekommen hatte, bekannt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begannen sich innerhalb des Sicherheitsapparats FPÖ treue Kreise unter der Führung der FPÖ Spitze, mutmaßlich inklusive des damaligen Innenministers Herbert Kickl, auf die Jagd nach den Beteiligten zu begeben. Hierbei wurden mehrfach direkte Drohungen gegen mutmaßlich Involvierte unter Ausnutzung der behördlichen Befugnisse ausgesprochen und Druck auf das familiäre Umfeld der Verdächtigten ausgeübt. (Buch: Die Ibiza Affäre, Obermayer, Obermaier, S. 139-141)

Doch auch mit dem Ende von Schwarz-Blau war die Gefahr für die mutmaßlich am Video Beteiligten nicht gebannt. So beschäftigte offenbar H.C. Strache mehrere Detekteien, die nicht davor zurückschreckten, mittels teils illegaler Methoden die mutmaßlich Beteiligten zu durchleuchten und zu verfolgen. Die Honorarnoten hierfür reichte er bei der eigenen Partei ein, wie der heutige FPÖ Parteiobmann Norbert Hofer bestätigte. Der Journalist Obermayer veröffentlicht auf Twitter am 24.11.2019, dass sich an ihn Emissäre von „darin Involvierten“ gewandt haben, um das Video zu kaufen. Dies können nur die Eheleute Gudenus oder Strache gewesen sein, andere Involvierte gibt es nicht. Weder vor noch nach der Veröffentlichung des Videos waren diese Versuche erfolgreich, da auf Seiten der Videomacher schlicht kein Interesse daran bestand, mit diesem Millieu ins Geschäft zu kommen. Das Video war bereits veröffentlicht und hatte damit sein Ziel erfüllt. Dies zeigt einmal mehr, dass die Behauptung eines finanziellen Interesses der Macher des Ibiza Videos nicht haltbar ist. Der Vorwurf wirkt umso bitterer, vergegenwärtigt man sich die aktuelle Situation jener, die Kopf und Kragen riskiert haben, um Rechtsstaatlichkeit im eigenen Land wieder herzustellen.

Während Strache und Konsorten inzwischen ihren Weg zurück in die Politik machen oder ihre Posten im Sicherheitsapparat gar nicht erst verließen, mussten die Enthüller abtauchen. Einige Beteiligte des Videos können keiner normalen Arbeit mehr nachgehen oder in Österreich leben und sind auf ein Netz aus Unterstützern angewiesen. Sie fürchten, besonders im Zuge aufkeimenden Rechtsterrorismus um Leib und Leben. Dieser Umgang mit den Enthüllern ist angesichts der historischen Relevanz ihres Einsatzes einer Demokratie unwürdig.

Die Befangenheit der SOKO TAPE

  • Obwohl die Ermittler schon lange vor der Ibiza-Affäre um die belastende Beweislage gegenüber HC Strache wussten, taten sie nichts.

  • Ein führender Ermittler der SOKO-Tape steht in einem freundschaftlichen Verhältnis zu Strache. Er wurde später aus der SOKO entfernt, führte aber zuvor die wesentlichen Verhöre mit den Verdächtigen.

Während die Ermittlungsbehörden bereits umfängliche Massnahmen gegen die mutmaßlichen Videoproduzenten in die Wege geleitet hatten, blieben sie auf Seiten der FPÖ weitgehend untätig. Dabei hätten sich aus den veröffentlichten Stellen des Ibiza-Videos zahlreiche Ermittlungsansätze bezüglich Veruntreuung und Geldwäsche ergeben. Derlei Anschuldigungen waren dem leitenden Ermittler H. zu diesem Zeitpunkt bereits lange bekannt, da ihm die Vorwürfe 2015 (lange vor Veröffentlichung des Videos) vom Anwalt Dr. M. detailgetreu unterbreitet worden waren. Spätestens als der Bodyguard wenige Tage nach der Ausstrahlung des Ibiza-Videos in den Medien als Quelle weiteren belastenden Materials benannt wurde, hätten entsprechende Ermittlungen oder eine Vorladung des Zeugen folgen müssen. Die Ermittlungsbehörden blieben weiterhin untätig. Ein Verhalten, das an Strafvereitelung im Amt grenzt.

Niko R.

Dass die Besetzung der SOKO auch in anderen Personalien mehr als unglücklich war, zeigt sich in einer SMS, die ein anfangs die Ermittlungen führender Beamter Niko R. kurz nach Straches Rücktritt an den Ex-Minister schreibt: "Lieber HC, ich hoffe auf einen Rücktritt vom Rücktritt ... die Politik braucht dich!". Ausgerechnet dieser Mann wurde mit der Zeugenbefragungen der Straches und Konsorten im Mai und Juni 2019 betraut. Die Kronenzeitung vom 07.09.2019 berichtet von einer weiteren ermunternden privaten E-Mail an Strache. Bis Mitte Juni unterhält er weiterhin freundschaftlichen Kontakt mit HC. Bis September verblieb er in der SOKO, erst als die Medien auf seinen Kontakt zu Strache aufmerksam wurden, wurde er abgezogen.

SOKO-Mitglied Niko R. war im Übrigen auch in die Ermittlungen zu den geschredderten Akten in Kurz' Büro involviert, wo er unter anderem die Auswertung von LapTop- und Handy-Daten als "wenig erfolgversprechend" erachtete und unterließ. Auch dieses Verhalten grenzt an Strafvereitelung im Amt.

Ermittler zum Ermitteln zwingen: Die anonyme Anzeige

  • Durch eine anonyme Anzeige aus dem Umfeld der Macher des Ibiza-Videos sind die Behörden genötigt, der Beweissammlung des ehemaligen Strache Bodyguards nachzugehen. Vier Monate nach dem Ibiza-Video wird endlich ermittelt.

  • Der Spesenskandal der FPÖ wird so kurz vor der Nationalratswahl aufgedeckt.

  • Bis heute sind zahlreiche Dokumente aus den Durchsuchungen, die weitere Skandale vermuten lassen, trotz massiven öffentlichen Interesses unter Verschluss.

SOKO-Tape Ermittlungsleiter Andreas H. war die Existenz mutmaßlicher Bargeldannahmen durch HC Strache, der mutmaßliche Lagerort des Geldes und weiterer Beweise bereits seit dem 27.03.2015 durch Anwalt Dr. M. bekannt. Ihm war außerdem bekannt, dass die Herkunft des Geldes im Ausland vermutet wurde und somit eine Einflussnahme auf Regierungsmitglieder angenommen werden konnte. Trotzdem nahm er keine Ermittlungen auf, obwohl über die Identität der Quelle, Straches Ex-Bodyguard, bereits in den Medien spekuliert wurde.

Dem Anwalt Dr. M., der sich zu seiner Beteiligung nach der Ausstrahlung des Videos öffentlich bekannt hatte und der deshalb mit einem Berufsverbot bedroht wurde, waren aufgrund des Mandantengeheimnisses weiterhin die Hände gebunden. Aber auch anderen Beteiligten war bekannt, dass es eine weitere Quelle belastender Aussagen gab. Aufgrund der medialen Spekulationen konnten sie nun ohne Weiteres auf die Identität des Bodyguards als Quelle schliessen. Um die Behörden zum Handeln zu zwingen, gaben sie am 12.09.2019 eine anonyme Anzeige auf. Darin benannten die Anzeigenden die Quelle sowie die ihnen bekannte, gesammelte Beweislast und die sich daraus ergebenden Vorwürfe.

Die Anzeige, die die untätigen Ermittler dazu zwang, ihren Job zu machen.

Sie informierten die Behörden, dass sie die Anzeige auch ausgewählten Medien zur Verfügung stellen würde, da die Öffentlichkeit ein Recht habe, noch vor der Nationalratswahl von den Vorgängen zu erfahren. Sie setzten sich jedoch eine Frist um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Die Veröffentlichung des Ibiza Videos war ein wichtiges Korrektiv, welches der Wählerschaft in Österreich eine informiertere Stimmabgabe bei der Europawahl im Mai und der Nationalratswahl im Herbst 2019 ermöglichte.

Erst kurz vor Ablauf der Frist sahen sich die Ermittlungsbehörden schließlich bewogen zu handeln. Das Beweismaterial, auf das sich der Anwalt Dr. M. 2015 bezog, wurde bei dem Bodyguard sichergestellt und so entsprechende längst fällige Ermittlungsschritte erzwungen. Die Anzeige wurde anschliessend von den Beteiligten veröffentlicht, um weiteren Ermittlungsdruck zu erzeugen.

Der dadurch öffentlich gewordene Spesenskandal zum Umgang des damaligen Parteiobmanns HC Strache und seines Umfeldes mit öffentlichen Parteigeldern führte für die FPÖ im September 2019 zu massiven Wahlverlusten bei der Nationalratswahl und resultierte schliesslich in der Bildung einer Koalition unter der Mitwirkung der Grünen. Auch bei anschliessenden Wahlen in mehreren Bundesländern fuhr die FPÖ drastische Verluste ein, die Rechtspopulisten bewegen sich mittlerweile bei unter 50 Prozent ihres vormaligen Wahlergebnisses.

Es ist naheliegend, dass die SOKO TAPE ohne die Anzeige in dieser Sache nicht tätig geworden wäre. Es ist also den Machern des Ibiza-Videos zu verdanken, dass der FPÖ-Spesenskandal noch vor der Nationalratswahl öffentlich wurde - und der Wählerschaft in Österreich somit eine informierte Wahlentscheidung möglich war.

Bis heute sind zahlreiche Dokumente aus den Durchsuchungen, die weitere Skandale vermuten lassen, trotz des massiven öffentlichen Interesses unter Verschluss.

Einschüchterung und Überwachung - Der Justitzskandal

  • Das Umfeld der potenziellen Videomacher wird mit unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnamen bedacht.

  • Das System der Europäischen Ermittlungsanordnung wird ausgenutzt, um weitere Überwachungsmaßnamen außerhalb Österreichs durchzuführen.

  • Passagierfluglisten werden ohne Anonymisierung herausgegeben. In Berlin werden über 340.000 Datensätze und mehr als 70.000 individuelle Teilnehmer abgegriffen.

  • Die Beschuldigten bekommen über ein halbes Jahr keine Akteneinsicht und konnten somit weder Stellung beziehen noch sich gegen die Vorwürfe effektiv verteidigen. Noch immer sind Teile der Akten unter Verschluss.

Die Staatsanwaltschaften in Hamburg und München haben mittlerweile festgestellt, dass das überragende öffentliche Interesse an der offenbarten Korruptionsbereitschaft eines Regierungsmitglieds höher zu werten sei, als die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Politiker. Die entsprechenden Anzeigen von HC Strache wurde eingestellt. In Hamburg bezog sich diese Feststellung ausdrücklich auch auf diejenigen, die die Videosequenzen dem SPIEGEL überlassen hatten, also nicht selbst Journalisten waren.

Gleichzeitig wurde in Österreich ein breites Umfeld der mutmaßlichen Videoproduzenten mit überbordenden Überwachungsmaßnahmen bedacht. So wurden aufgrund der geringsten Verbindungen zu den mutmaßlichen Produzenten Hausdurchsuchungen, Telekommunikationsüberwachung und weitere technische Überwachungsmaßnahmen am Fließband durchgeführt, welche von zuständigen Richtern im Blanko Zeichnungssystem genehmigt wurden.

Zunächst beschränkten sich diese Maßnahmen auf die Alpenrepublik, da bereits gerichtlich festgestellt war, dass die Produktion und Veröffentlichung des Videos etwa in Deutschland nicht strafbar ist und entsprechende Ermittlungen somit nicht genehmigt worden waren. Die Soko-Tape und die Wiener Staatsanwaltschaft wussten aber, dass sich Beteiligte in Deutschland aufhielten.

Um auch in Deutschland ermitteln zu können, bedienten sich die Österreicher eines Tricks: Unter Ausnutzung konstruierter und nach Einschätzung der Verteidigung des mutmaßlich Beteiligten der Aktenlage widersprechender Vorwürfe, stellten sie erneut einen Antrag auf Amtshilfe in Deutschland im Rahmen Europäischer Ermittlungsanordnung („EEA“). Die Anfrage beruhte beispielsweise auf einem dubiosen und wenig glaubwürdigen Belastungszeugen der bereits wegen vielfacher Falschaussage vor Gericht steht.

Wegen des Systems der Europäischen Ermittlungsanordnung und des Vertrauens der einzelnen EU Staaten in die Rechtstaatlichkeiten untereinander, wurden diese Überschreitungen der Befugnisse in den betreffenden Ländern nicht weiter auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft. Dass es der SOKO Tape keineswegs um die von ihnen erhobenen Vorwürfe des Drogenhandels oder der Erpressung ging, zeigt etwa ein Durchsuchungsbeschluss, in dem wegen eines Drogenvorwurfs von 2015, das erst 2017 entstandene Ibiza-Video in voller Länge gefunden werden sollte (Beschluss Amtsgericht München ER II GS11849/19).

Auf diese Weise wurden zur angeblich notwendigen Ausforschung von Beteiligten durch die Österreichischen Ermittler Passagierfluglisten von kompletten Flügen nicht anonymisiert an die Österreichischen Behörden weitergeleitet, was hunderte Flugreisende unter Verdacht stellt und dem Risiko aussetzt, Ziel staatlicher Überwachungsmaßnahmen zu werden, die lediglich zufällig am selben Tag das gleiche Ziel wie die Macher des Videos hatten.(ON 44-49/ON85-90/ON 277/ON 289) Eine Massnahme, die gemeinhin nur bei der Verfolgung von Schwerverbrechern oder Terroristen, wozu man die Beteiligten offenbar auch machen will, Anwendung findet.

Der Abend, der schwarz-blau zu Fall bringen wird.

Das Ausmaß der wissentlich in Mitleidenschaft Gezogenen ist aber noch viel größer: Allein in Berlin wurden über eine Funkzellenrasterfahndung über 340 000 Datensätze generiert und mehr als 70 000 individuelle Teilnehmer abgegriffen. (ON187-191/ON 496) Außerdem wurde die Öffnung von mehreren Konten auch aus dem Umfeld der Verdächtigten und der Abgriff sämtlicher Zahlungsverläufe über einen Zeitraum der letzten drei Jahre ohne stichhaltige Begründung genehmigt. (ON 292-296/ON 298/ON 306/ON 19 ) Es wurde versucht, Zeugen mit dem Vorwurf der angeblichen Involvierung in schwerste Straftaten einzuschüchtern.

Unter Ausnutzung des Prinzips „Verschlussakt" wurde den Betroffenen trotz der regelmäßigen Leaks an die Medien und der Ermittlungsführung über ein halbes Jahr lang die ihnen zustehende Einsicht in die eigenen Akten verweigert, sodass diese nicht zu den ihnen vorgeworfenen Delikten Stellung nehmen konnten. Auch weiterhin werden selektiv Aktenteile vorenthalten, um den Verteidigern die Möglichkeit der Beschwerde gegen unverhältnismäßige Beschlüsse zu erschweren. So wurde bis Dato noch kaum einer Beschwerde gegenüber Maßnahmen gegen Beteiligte stattgegeben. Im Gegenteil: die Staatsanwaltschaft und die zuständigen Richter lehnten Stellungnahmen ab und verunmöglichten somit eine effektive Verteidigung. Dies taten sie in unter Verweis auf eine Verordnung, die im Österreichischen Recht äußerst selten Anwendung findet. (ON556)

Der Weg zum übergeordneten EU-Gericht wird offenbar von der Österreichischen Justiz erschwert, indem Entscheidungen der eigenen oberen Instanzen unverhältnismäßig in die Länge gezogen werden. So wurde bis Dato erst eine einzige von rund 100 Beschwerden vom Obersten Gerichtshof behandelt. Ein zwingend notwendiger Schritt für den Gang in die EU Gerichtsbarkeit. Dies offenbar, weil man das Urteil unter Anbetracht der Europäischen Menschenrechtskonvention fürchtet.

Trotz dieser massiven Überwachungs- und Einschüchterungsmaßnahmen gibt es bisher keinerlei Beweise oder stichhaltige Anhaltspunkte für etwaige strafbare Handlungen durch die Macher des Videos. Gleichzeitig wurde mittlerweile auch in Österreich ein erstinstanzliches Urteil aufgehoben und höchstrichterlich festgestellt, dass die Verbreitung des Ibiza-Videos aufgrund des enormen öffentlichen Interesses unter bestimmten Bedingungen legal ist.

Die Anschuldigungen des Suchtgifthandels sind nicht haltbar.

Das Fazit der Geschichte: Die Korruption in den Kreisen der ehemaligen schwarz-blauen Regierung und der FPÖ ist weiterhin nicht vollständig aufgeklärt. Während aber der Hauptbeschuldigte Strache gerade eine neue Partei gründet um erneut Mandate zu erlangen und damit den Rechtsstaat verhöhnt, müssen die jenigen, die den Versuch unternommen haben Korruption aufzudecken weiterhin eine ungerechtfertigte Strafverfolgung fürchten, welche auf konstruierten Vorwürfen basiert und eines Rechtsstaates unwürdig ist.